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Buen provecho - Ceviche, Meerschweinchen und was in Perú sonst noch auf der Speisekarte steht

"Welche Gerichte hast du schon probiert in Peru? Schmeckt dir das peruanische Essen? Was kannst du kochen? Hast du schon zu Mittag gegessen?" Diese Fragen gehören hier zum alltäglichen Smalltalk sowie zum Kennenlernen anderer Leute  dazu, Essen ist ein wichtiges Gesprächsthema. So bespricht man auf der Busfahrt Rezepte, diskutiert hitzig, ob die süßen oder salzigen Maiswickel besser sind und erzählt von guten Restaurants. Bei uns Ausländern liegt den Peruanern viel daran, uns die landestypische Küche näher zu bringen, die besten Gerichte zu zeigen und dabei schwingt immer eine Portion Stolz mit. Dass Kinder auf die Frage nach dem Berufswunsch nicht Feuerwehrmann oder Polizist, sondern Chefkoch sagen, ist hier nichts außergewöhnliches. Aber woher kommt es, dass dieses Thema hier so wichtig ist und Menschen jeden Alters und jeder sozialen Herkunft so beschäftigt?

 

Die peruanische Küche zählt durch ihre kulinarische Vielfalt und Feinheit zu einer der Besten weltweit und zur Besten Südamerikas. Besonders das Gourmet-Essen der "cocina novoandina" hat durch den peruanischen Starkoch Gastón Acurio Jaramillo in den letzten Jahrzehnten eine enorme internationale Bedeutung erlangt. Der Star der Peruaner genoß seine Ausbildung in Europa, um danach in Perú einige renommierte Sternerestaurants zu eröffnen und eine besondere Mischung aus andinen "Hausmannsgerichten" und europäischen Einflüssen zu kreieren. Damit gewann Gastón  Acurio in den letzten Jahren mehrmals bei internationalen Wettbewerben und schlug sogar Frankreich. 

Doch nicht nur in Limas Sternerestaurants isst man gut, an jedem Straßenstand, in allen Mittagsmenü-Räumen und vor allem in den häuslichen Küchen der Peruanern wird man selten enttäuscht. Das Essen spielt überall und jederzeit eine große Rolle und du wirst von den neuartigen Geschmäckern nicht genug bekommen. 

Peru hat sehr fruchtbare Böden und ist durch die Landschaftszonen auch sehr abwechslungsreich: An der Küste werden trotz der Wüste Trauben, Auberginen, Yucca, Avocados, Reis, Chirimoya, Getreide uvm. angebaut. Die Andentäler sind reich an jeglichen Gemüsesorten, Quinoa, Mais, Salaten, Kohlen, Spinat und vor allem Kartoffeln. Peru, das Ursprungsland der Erdäpfel, hat eine Vielzahl von über 3000 Kartoffelsorten, die sich geschmacklich und farblich sehr unterscheiden und hier in den Anden bei keiner Mahlzeit fehlen dürfen. Immer wieder bin ich überrascht, wie fruchtbar die Berge hier trotz der enormen Höhen sind. Tarma ist auf 3000m DAS Anbaugebiet für Gemüse und auch auf den umliegenden, steilen Bergen bis zu 4000m wird fleißig gesät und geerntet. Noch dazu gibt es hier kaum Traktoren oder Großgrundbesitzer. Das meiste fruchtbare Land ist in kleine Felder aufgeteilt, die von den einzelnen Familien bewirtschaftet werden, die selbst säen, ernten und auch auf den Märkten verkaufen. All diese Arbeit geschieht mit großen Spitzhacken, oft sieht man auch einen Pflug mit zwei kräftigen Stieren dran gespannt durch die Felder ziehen - eine Knochenarbeit! Gerade auf dem Land hier haben fast alle Familien ein kleines Feld, wo sie für den Eigenverbrauch pflanzen oder teilweise Hafer für die eigenen Haustiere ernten. Dort hilft die ganze Familie mit, zur Ernte werden Nachbaren mit ihren Eseln engagiert, meist ohne Bezahlung, alles beruht auf Gegenseitigkeit. Im Regenwald findet man eine Vielzahl an Früchten, ein Großteil davon ist für uns Europäer unbekannt, doch die Geschmäcker sind Wahnsinn! In der Selva kaufst du an der Straße frische Kokosnüsse, die du danach ausschlürfst, Mangos, Papayas, Pacai, Chirimoya, Lúcuma, für jeden ist viel dabei! Dort hat Jeder im Garten seine Mango- und Bananenbäume, die Schatten spenden, noch dazu gibt es sehr viele nährstoffreiche Wurzeln. Die Kinder aus der Selva im Heim erzählen mir manchmal wehmütig von Wettbewerben zwischen den Kindern dort, wo alle auf Kokospalmen klettern oder sich in Plantagen verstecken und stundenlang saftige Mangos essen. 

All diese Köstlichkeiten von der Küste, den Anden und dem Regenwald findet man auf dem Markt in jeder Stadt. In größeren Städten sind das große Markthallen mit verschiedenen Abteilungen, wo du säuberlich und hübsch aufgereiht jegliches Obst und Gemüse findest, aber auch Fisch, Käse, Handwerk, medizinische Kräuter und sehr alternative Heilmittel. Die Fleischabteilung ist nichts für schwache Nerven oder instabile Mägen, in Peru wird kein Teil des Tiers verschwendet - hier findest du Schafsköpfe, Kuhköpfe, Augen, Schweinsfüße, Gedärme, Geschlechtsteile... Leider findet man diese Fleischteile des Öfteren auch im Essen ganz zu meiner Freude, an meinem ersten Abend in Peru fand ich einen Hühnerfuß und dachte, die Köchin hat eine Abneigung gegen mich - ganz im Gegenteil, der Hühnerfuß gilt als Delikatesse, sie wollte mir eine Freude machen, hat nicht ganz geklappt.

In kleineren Städten wie Tarma hingegen ist der Markt auf der Straße, an den Markttagen kommen Bauern und Bäuerinnen aus allen umliegenden, weit entfernten Dörfern, Dann werden Obst, Gemüse, Wolle, Strickdecken, Kleidung, Haushaltsgegenstände und Tierfutter auf Decken ausgebreitet, die Hühner werden an den Füßen auf Stangen aufgehängt. So füllt sich die halbe Stadt mit Marktständen und der Verkehr wird einige Tage der Woche lahmgelegt. Zu Beginn verlierst du dich und irrst verwirrt durch die Straßen, nach einigen Monaten lernst du den Markt kennen und weißt genau,  wo du am Besten Tomaten, Physalis, Limonen und Kochbananen kaufst, hast deine Stammverkäufer. In Peru brauchst du vor allem eines für Markteinkäufe: Zeit! Du kaufat nicht alles beim gleichen Gemüsehändler, denn vielleicht bekommst du drei Ecken weiter eine Tomate mehr, jedes Marktfräulein hat seine Vorteile und so läufst du stundenlang durch die Straßen auf der Suche nach perfekten Angeboten. Gerade bei größeren Verkäufen wird gehandelt, du benutzt all deinen Charme und dein Handlungsgeschick. Außerdem empfiehlt es sich immer einige Stoffbeutel dabei zu haben, sonst erstickst du schnell in Plastiktüten, das Bewusstsein von Müllvermeidung ist in den ländlichen Gegenden Perus leider noch nicht weit gereicht. Wenn du schließlich von all dem Lärm, Chaos, Gedränge und vorbeifahrenden Schweine- oder Bananenschubkarren erschöpft bist, setzt du dich an einen Stand und trinkst in Ruhe einen Fruchtsaft, isst eine Kleinigkeit und beobachtest das Getummel, in welches du dich gleich wieder hineinstürzt. Ich liebe peruanische Märkte, so viel Abenteuer findest du in deutschen Supermärkten zwischen den eingeschweißten Produkten in Kühlregalen niemals und hier bin ich jedes Mal überrascht, wie viele köstliche Früchte ich für 2 Euro erhalte. 

Die Peruaner essen viel und oft, aber was kommt eigentlich auf die getürmten Teller? Die ganze Vielfalt kann ich nun nicht beschreiben, doch ich versuche mich an einem Überblick. Morgens trinkt man an einem Straßenstand oft ein Hafergetränk, Sojamilch und isst ein Brot mit Käse, Kochbanane, Ei oder Avocado, an Feiertagen gibt es würziges, frittiertes Schwein oder man setzt sich an den Markt und isst Sopa Verde, Suppe mit Kartoffeln, Ei und dem einzigartigen Kraut Huacatay. Mittags gibt es dann ein Menü zuhause oder in einem kleinen Restaurant an der Straße für 1-2€: Erst wird eine Gemüsesuppe, Hühnersuppe oder Papa a la Huancaina (Kartoffel in Käse-Chili-Sauce) serviert, dann kommt der Hauptgang: Hier gibt es immer unterschiedlichste Gerichte, Reis, Kartoffeln und Fleisch darf jedoch niemals fehlen. Es schmeckt jedoch immer sehr gut und abwechslungsreich und dazu werden immer eine Limette, Koriander und scharfes Chili gereicht, die Peruaner essen scharf und achten sehr auf die Gewürze, wobei niemals der Geschmack verloren gehen darf. Die Portionen sind riesig, auch in großen Städten wird noch so gegessen, als würde jeder Peruaner hart auf dem Feld arbeiten. 

Neben all den üblichen Haushaltsgerichten man auch in verschiedensten Restaurants essen, Tarma hat gefühlt mehr Restaurants als Haushalte. Neben unzähligen Hähnchenbratereien, gibt es Chifas, peruanisch-chinesiche Restaurants, wo man gebratenen Reis, Nudeln und Hühnersuppe essen kann. In touristischeren Restaurants gibt es dann die wirklich feinen und speziellen Gerichte: Ceviche (roher Fisch in viel Limette und Chili eingelegt und sehr lecker!), Pachamanca (in einem Loch in der Erde wird das Essen mit heißen Steinen und viel Gras gegart), Forelle, Picante de Cuy (ja, die Peruaner essen tatsächlich die kleinen Nagetiere Meerschweinchen und scheinbar ist es sehr gesund), Patasca (eine Maissuppe mit Schafskopf) und vieeeles mehr. Im Regenwald dagegen wird alles gegrillt, was nicht bei drei auf dem Baum sitzt, Insekten, Amphibien, Reptilien, Säugetiere, Fische...

Wenn dann immer noch der kleine Hunger bleibt. helfen wiederum die Straßenstände: Zu jeder Uhrzeit kannst du dort Papa Rellena (gefüllte Kartoffel), Choclo con Queso (gekochter Mais mit Käse), Churros (frittierte, gezuckerte Teigstangen) oder Picarones (Kürbis-Pfannkuchen-Kringel) essen.

Wie ihr seht, spielt Essen eine unglaubliche Bedeutung in der peruanischen Gesellschaft und das sonst oft vorhandene Minderwertigkeitsgefühl, das noch aus der Kolonialzeit stammt, setzt hier aus, auf die Vielfalt der peruanischen Küche ist man stolz.

So darf bei kleinen Einladungen ein "lonchecito" (Snack, Kaffeetrinken) nicht fehlen und man lässt die Gäste nicht aus dem Haus, ehe sie nicht die Kartoffeln vom eigenen Feld oder das frische Brot aus dem Ofen probiert haben, alles Andere wäre unhöflich!

In diesem Sinne: Guten Appetit, Essen macht die Seele glücklich und ganz liebe Grüße!


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Kommentare: 1
  • #1

    Marc und Steffi (Freitag, 12 Juli 2019 21:39)

    Und neben all den wundervollen Kulinarischen Genüssen isst auch hier das Auge mit und ist von den unbeschreiblich schönen Farbvariationen und kunstvollen Kreationen auf den Tellern begeistert! Am tollsten war es aber, mit Dir all diese exotischen Genüsse erleben zu können! Wir denken immer wieder voll Dankbarkeit an unseren wunderschönen Urlaub mit Dir und Nicola in Peru und freuen uns unsagbar auf unser Wiedersehen im Sommer! Deine Mama und Papa