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Hippies, Pinguine und Wüstensand

Nach knapp fünf Monaten in Peru voller Eindrücke aus der Arbeit im Kinderheim, dem Kloster in Lima und Tarmas Umgebung haben wir nach vielen Hochs und Tiefs, Fettnäpfchen und tollen Einblicken in die peruanische Kultur nun wirklich das Gefühl, uns hier gut eingelebt zu haben. Die Sprache ist flüssig und führt nicht mehr ständig zu Lachern seitens der Peruaner wegen kleinen Schnitzern, wir haben viel von unseren geliebten Kindern gelernt und können uns durch Eigeninitiative gut im Heim einbringen, wir haben die umliegenden Berge bestiegen, wissen, wo man die besten Avocados kauft und viele erkennen uns nicht mehr nur als Gringos wieder - jetzt kann das gegenseitige Verständnis und das Miteinander wirklich beginnen! Und trotz aller Schwierigkeiten, die immer wieder auftreten, seien sie kulturell bedingt oder persönlich - ich bin mehr als froh, hier zu sein und unendlich dankbar für all die Erlebnisse und Erfahrungen, die mir Land und Leute schenken! Einiges an Deutschland vermisse ich schon, aber es fühlt sich gerade genau richtig an, mein Leben für ein Jahr eingetauscht zu haben und von den Menschen hier zu lernen! 

Trotzdem wurde es Zeit, auch andere Ecken Perus kennenzulernen und so nutzten wir das Zwischenseminar in Lima, um danach noch einige Tage in der Wüste im Süden des Landes zu verbringen. 

Nach acht unglaublich intensiven Tagen auf dem Seminar mit inspirierenden Gesprächen, neuen Freundschaften, viel Input und großen Veränderungen für mich (ein Blog-Artikel dazu kommt noch!) fuhr ich erstmal sehr befreit und gelöst nach Barranco, mein magisches Lieblingsviertel Limas. Dort verbrachten wir eine Nacht mit Jamsessions, Streetart-Galerien, Sonnenuntergängen an der Promenade und auf wunderschönen Dachterrassen zwischen Künstlern, Musikern und Weltentdeckern - eine ganz besondere Stimmung! Die Gegensätze in Lima zwischen voranstrebender Modernität, Weltoffenheit und extremer Armut mit existenziellen Problemen stellen mich immer noch vor große Fragezeichen und geben mir viel zu Denken über unsere Scheinwelt des Verdrängens. Trotzdem war ich froh, nach meinen ersten zwei schwierigen Monaten in Lima im Kloster mit Einschränkungen und dem Gefühl des Ausgebremst-Werdens endlich diese unbeschwerte Seite wahrnehmen zu können - Lima steckt voller Überraschungen!

Am nächsten Morgen stiegen wir dann früh in einen Bus nach Paracas und das Busfahren an sich ist hier auch ein Erlebnis: Trotz weiter Strecken bekommt man für wenig Geld einen tollen Panoramablick in bequemen Schlafsesseln und kann sich zurücklehnen, Musik hören und die Landschaften bewundern! Als wir in Paracas ankamen, wurden wir erstmal von einer Touristenwelle überrascht: Überall wird auf der Strandpromenade Englisch gesprochen, überteuerte Menüs für fünf Euro angeboten und man sieht genauso viele "Gringos" wie Peruaner. Das musste ich erstmal verdauen, nachdem ich in unserer bescheidenen, ursprünglichen Andenwelt an das Gegenteil gewohnt bin und Reisende oder Englisch-Sprechende eine Rarität sind! Also bin ich erstmal in die Rolle eines Touristen geschlüpft und wir haben im schönen Strandhostel Kokopelli Quartier bezogen. Nachmittags zogen wir dann mit gemieteten Fahrrädern los, um den Nationalpark Paracas zu erkunden. Zugegeben, der Gegenwind war viel zu stark und die Zeit hat für eine ausführliche Tour nicht mehr ausgereicht, aber allein das Gefühl, mit einem Fahrrad durch die Wüste zu düsen, war unvergesslich! So sind wir etwa vier Stunden bis zum Sonnenuntergang noch zur "Playa Roja" gestrampelt, von wo aus wir einen tollen Ausblick auf die Steilküste hatten. Auf dem Rückweg hatten wir den Wind im Rücken und konnten uns mehr auf die Ausblicke konzentrieren, trotzdem waren wir abends ziemlich platt und konnten den Blutmond nur noch halbherzig betrachten. Am nächsten Morgen ging es dann mit einer Bootstour zu den "Islas Ballestas", wo eine enorme Vielzahl von Vögeln, Seelöwen, Pinguinen und Seesternen zuhause ist. Die ganzen Tiere vom Boot aus zu Beobachten, war ein tolles Erlebnis und ich war überwältigt, die Humboldtpinguine und Seelöwen in solcher Masse in der Natur zu sehen. Unsere einzige große Angst galt den Scharen von Vögeln im Himmel, die gelegentlich Passagierköpfe auswählten, um dort ihr "Geschenk des Himmels" zu hinterlassen - glücklicherweise sind wir ungeschoren davongekommen! Außerdem sahen wir vom Boot aus die gigantische Sandzeichnung "El Candelabro" an der Küste: Diese Darstellung eines Kerzenhalters mit einer Höhe von knapp 200 Metern stammt etwa aus dem Jahr 350 v. Chr. und diente damals entweder zur Schiffsnavegation oder zur Ehrung der Götter. Unfassbar, wie exakt die Menschen damals etwas schaffen konnten, das über 2000 Jahre später noch gut sichtbar und erhalten ist!

Nachmittags reisten wir über Pisco weiter nach Ica und Huacachina, denn in dieser Oase mitten in der Wüste wollten wir zwei weitere Hostelnächte verbringen. Die Wüste bei Ica im Süden Perus zählt zu einer der trockensten der Welt und so waren wir ziemlich überrascht, als wir dort zunächst an einem kleinen See mit Palmen ankamen. Später bei einer Sandbuggytour in den Sonnenuntergang, bei der wir wild die Dünen hinauf und herunter rasten, wurden uns dann die Ausmaße der Wüste bewusst. Schließlich durften wir auch mit Sandboards auf dem Bauch liegend oder stehend wagemutig die Dünen heruntersurfen, was ziemlich lustig war und später für eine große Portion Sand im Bett gesorgt hat. Abends lernten wir das Hostelleben kennen, lagen faul in der Hängematte und spielten mit anderen Reisenden Karten und tauschten uns aus. Der nächste Tag war ziemlich ruhig, ich kletterte allein auf die großen Dünen und saß stundenlang oben, blickte auf die wunderschöne, ruhige Wüste und hatte ganz viel Raum für meine Gedanken und Fragen, die ich noch mit mir herumschleppte. Dann fuhr ich nach Ica, um ein archäologisches Museum der präkolumbianischen Kulturen zu besichtigen. Ich hab nach mehreren Museumsbesuchen schon sehr viele Fundstücke, bemalte Vasen und Schmuck gesehen und immer noch fasziniert es mich unglaublich, wie früh die Menschen hier mit der Entwicklung ihrer Kunst anfingen und gewöhnliche Alltagsgegenstände zu wahren Kunstwerken machten und sie nicht nur auf ihre Nützlichkeit reduzierten. Die warmen, kräftigen Erdfarben, beeindruckenden Figuren aus dem Regenwald und dem andinen Hochland und genialen Details bringen einfach zum Staunen!

Abends saß ich dann zum Sonnenuntergang mit Blick auf die leuchtende Stadt Ica und die endlos erscheinende Wüste wieder auf der Düne und ließ den Tag dort ausklingen. Voller Euphorie bin ich dann mit einer Reisebekannten die steile Düne hinunter gerannt, bis mir unten die Erkenntnis kam, dass meine Schuhe noch oben liegen und den Ausblick genießen. Also kraxelte ich zur Belustigung der anderen Reisenden gleich wieder hinauf!

Für den nächsten Tag stand schon die Rückreise nach Tarma auf dem Plan und so mussten wir unseren kleinen Trip dann nachmittags mit einem Bier am Strand von Lima mit einem beeindruckenden Sonnenuntergang beenden. 

Auch wenn der Urlaub sehr kurz war und nur ein kleiner Vorgeschmack auf meine Reisen später im Jahr,  hat es sehr gut getan, ein bisschen Abstand zu Tarma und der Arbeit hier zu gewinnen und einfach nur Reisende zu sein. Jetzt kann ich mit viel mehr Motivation und Freude wieder zurück in meinen Alltag und zu den Kindern, die ich schon ziemlich vermisst habe. Durch den Tourismus habe ich gemerkt, wie glücklich ich bin, hier auch zu arbeiten und ganz andere, tiefere Einblicke in Peru zu bekommen, als das als Reisender möglich ist  - diese Möglichkeit gerade ist für mich ganz besonders und einmalig!

Und jetzt kann ich wieder erholt in mein Bergleben zurück!

Bis bald und eine schöne Woche!

 


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