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Feliz Navidad en el Perú

Feliz Navidad con todos! Ich hoffe sehr, dass Ihr alle wunderschöne, frohe und gesegnete Weihnachtstage verbracht habt und diese besondere Stimmung noch einige Tage mit Euch tragen könnt!

Weihnachten ist als Fest der Liebe, des Friedens und der Familie bekannt. Man bereitet sich wochenlang darauf vor und verbringt dann die Festtage im Kreis der Familie mit den Liebsten. Bei mir war dieses Jahr jedoch alles anders: Ich bin zusammen mit Johannes in Peru und zwischen mir und meiner Familie und all unseren Weihnachtsbräuchen liegt ein Ozean und ziemlich viel Dschungel. Für mich bedeutet Weihnachten Familie, Besinnung, Innehalten, ein tolles Konzert nach dem Anderen, Familie, Gesang am Adventskranz, Kerzenlicht und gemütliche Leseabende – aber auch, ich will es nicht verhehlen, Schul- und Konzertstress, Hektik, Fremdbestimmung, Zeitmangel und Kaufrausch. Dieses Jahr konnte ich mir all dieser Gewohnheiten der letzten Jahre bewusstwerden und sie aus der Ferne überdenken. Ich hatte die Gelegenheit, Weihnachten von einer anderen Seite zu betrachten und auf peruanische Weise zu erleben. Und trotz der Fremde hier konnte ich die oben genannten Beschreibungen Weihnachtens als Fest der Liebe, des Friedens und der Familie fühlen.

In diesem Bericht möchte ich über meine persönlichen Erlebnisse und die peruanischen Traditionen zur Weihnachtszeit schreiben und Euch in die Adventszeit der sonnigen Andenwelt mitnehmen.

 

Adventszeit

Für die Adventszeit hatte ich mir dieses Jahr fest vorgenommen, die Distanz zu Deutschland und meinen Verpflichtungen dort zu nutzen, um mir Zeit zu nehmen: Zeit zum Nachdenken, zum Innehalten und zur inneren Vorbereitung auf Weihnachten. Das hat zwar sehr viel besser geklappt als in Deutschland die letzten Jahre, aber trotzdem musste ich schnell feststellen, dass auch in Peru die Adventszeit an uns vorbeirauscht und einiges Chaos mit sich bringt.

Am ersten Adventssonntag fehlte der Adventskalender, der Christkindlmarkt und die Kälte - bei der Hitze und unseren sommerlichen Bergtouren kam bei mir noch lange keine Weihnachtsstimmung auf. In der Kirche gab es trotzdem einen Adventskranz und auf den Straßen war der nordamerikanische Einfluss an der Dekoration deutlich zu erkennen: Überall standen „Merry Christmas“ singende Weihnachtsmänner (Papá Noel), grell blinkende Lichterketten und künstliche Christbäume in schrillen Farben und Girlanden - bei dem starken Sonnenschein auf den ersten Blick (und viele weitere Blicke) für mich eine absurde Kombination!

Auch mit der Ruhe gelang es bei mir nicht,  da wir Ende November drei neue Freunde kennenlernten: Luis, ein peruanischer Projektleiter mit Dreads, und Daniel und Max aus Dänemark und Schweden arbeiteten als Freiwillige in der kleinen Gemeinde Palca an einer Schule für arme Bauernkinder und klopften eines Tages an unsere Tür. Wir freundeten uns ziemlich schnell an und da nur noch drei Wochen bis Annas Abreise blieben, nutzten wir diese Zeit ziemlich aktiv aus. Morgens standen wir ziemlich früh auf, um verschiedene Berge zu besteigen, ehrwürdige Inkaruinen zu besuchen oder in Luis Projekt mitzuhelfen. Dort lernten wir, Physalis-Marmelade zu kochen, bastelten aus Naturmaterialien schöne Weihnachtsdekoration und gestalteten mit den Kindern eine vorgezogene Weihnachtsfeier. Wir freuen uns riesig mit Luis ein weiteres tolles Projekt kennengelernt zu haben, das wir weiterhin gerne unterstützen möchten in unserer Freizeit!

Danach ging es wie gewohnt mittags hinauf zum Kinderheim, wo wir mit den Kindern lernten, spielten, wanderten und uns auf Weihnachten vorbereiteten: Wir backten Plätzchen und Panetón (ähnlich wie Stollen), bastelten Sterne und sangen Weihnachtslieder. Außerdem zogen wir mit großen Sensen los und kletterten steile Hänge hinauf, um Kakteen, Moose und kleine Blumen für die Weihnachtskrippen zu sammeln. Diese spielen hier eine große Rolle und werden schon einige Wochen vor Weihnachten mit einem zusammengewürfelten Mix aus Pflanzen, bemalten Papieren und Figuren gestaltet. Sie sind nicht so traditionell, aber ziemlich kreativ und lustig und nicht selten kann man auch Giraffen, Löwen und Alpakas neben dem Jesuskindl finden.

Im Kinderheim war im Dezember richtig viel los: Einmal im Jahr werden die Leute hier auf das Heim aufmerksam und bringen Geschenke, Süßigkeiten, Kleidung und gestalten Nachmittage mit Spiel und Tanz. Außerdem veranstaltete das Heim Wettbewerbe im Krippenbau und Präsentationen von Weihnachtsliedern mit Gesang und Kostümen zwischen den einzelnen Modulen. Leider erfuhren Johannes und ich jedes Mal zu spät davon und konnten uns so bei all den Feiern nur improvisierend einbringen. Dafür hatten die Kinder jedes Mal ihre Freude, wenn Johannes und ich allen vortanzen mussten oder uns bei albernen Spielen zum Affen machten - für unsere Kinder machen wir das aber gerne!

Mitte Dezember beginnen in Peru die zweimonatigen Schulferien und somit finden eine Menge Abschlussbälle statt. Ada, ein 16-jähriges, ganz liebes Mädchen aus der Beneficencia lud uns zu ihrem Fest ein und auch das war ein Erlebnis besonderer Art: Länger als der Ball selbst dauerte die Vorbereitung, wo die Mädchen stundenlang frisiert, geschminkt und zu Disney-Prinzessinnen verwandelt wurden. Schon das Zusehen war für mich eine Qual, aber die Mädchen waren glücklich und das ist schließlich die Hauptsache. Schließlich gingen wir alle zum geschmückten Festsaal und der formelle Teil begann. Nach einigen Reden, dem Auftreten und einem Tanz der Abschlussschüler kamen ein Clown und zwei Tanzmädels, die alle Gäste mit Partyspielen und Tänzen bespaßten. Am nächsten Tag besuchten wir mit dem Padre abwechselnd sogar zwei Bälle und Johannes durfte zu seiner großen Freude fünf Hühnchen essen!

Bei all dem Trubel ist es letztlich auch wieder eng geworden mit allen Besorgungen: Wir backten riesige Mengen von Plätzchen für unsere Freunde, tranken mit dem Padre Glühwein, besorgten Geschenke und planten das Weihnachtsfest für die Kinder. Während wir aber 20 Bleche Plätzchen in die Bäckerei trugen und dazu Weihnachtslieder summten, kam schließlich doch noch die erwünschte Weihnachtsstimmung auf.

Da Anna, Max und Daniel uns Mitte Dezember verließen, waren Johannes und ich bald wieder allein im Haus und waren mit der Ruhe anfangs fast überfordert. Unser guter Freund Luis zeigte uns aber geniale Wanderungen, stellte uns seiner Familie in den Bergen vor und kletterte mit uns auf schwindelerregende Felsen. Bei diesen tollen Aussichten auf über 4000 Metern und fernab von jeglichem Stadtlärm und Autohupen konnten wir doch unsere Ruhe finden und den sommerlichen Dezember genießen. Außerdem lernten wir, Schafe zu fangen, auf die Bergführernase eines Hundes zu vertrauen und die Medizinpflanzen der Anden zu nutzen. Ich freue mich jetzt schon auf alle weiteren Unternehmungen mit ihm!

Trotz allem Zittern hatten wir bis zum Heiligen Abend tatsächlich alles geschafft und konnten so gespannt in das Weihnachtsabenteuer starten!

 

Weihnachtstage

Am 24. Dezember stand für uns erstmal ein ausführlicher Anruf bei unseren Familien an: Trotz der großen Entfernung kam dank des Internets und der Fotos von unserer wunderschönen Kirche in Ebersberg und unserem Christbaum ein heimeliges Gefühl auf. Natürlich vermisste ich in diesem Augenblick meine Familie, unsere schönen Bräuche und die tolle Musik, aber die Vorfreude auf den Tag mit unseren Kindern lenkte mich gut ab und so blieb gar keine Zeit für Heimweh oder Traurigkeit. Vormittags gingen wir erst ins Altenheim, um dort mit unseren Abuelitos ein Weihnachtsfest zu gestalten. Wir tanzten, lasen die Weihnachtsgeschichte, sangen und überreichten die Geschenke der Franziskusschwestern und schließlich konnten wir allen ein wunderschönes Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Danach haben wir den Platz vor den Modulen der Kinder mit Luftballons, Girlanden und Schriftzügen geschmückt und Stühle aufgestellt, bei dem sonnigen Wetter sollte unser Fest draußen stattfinden! Als wir gerade beginnen wollten, kamen wieder Animateure und begannen ihre Show – Johannes und mir wurde vorher nichts davon gesagt und wir hatten extra ein Programm für den ganzen Nachmittag gestaltet… Erstmal waren wir also ziemlich frustriert und enttäuscht, aber immerhin haben sich die Kinder gefreut und später am Abend konnten wir noch einen Teil unserer Pläne durchsetzen. Nach dem Ende der Show konnten wir endlich unsere Spiele machen, die Geschenke verteilen, Arroz con leche (Milchreis) essen und tanzen, tanzen, tanzen… Auch nach dem Einbruch der Dunkelheit tanzten wir mit Musikboxen draußen weiter, tollten herum und kugelten uns alle auf dem Boden. Zwischendurch war ich ein Pferdchen, das bis zu vier Kinder auf dem Rücken durch den Dreck trug und dann umarmten sich alle und lagen kreuz und quer zum Kuscheln aufeinander. Wild, aber einfach schön! Die Kinder machten für mich den Heiligen Abend ganz besonders: Die ausgelassene Stimmung, das Herumalbern und das viele Lachen – schöner konnte ich mir die letzten Stunden nicht vorstellen und die Vertrautheit zwischen den Kindern und uns war fast schon familiär!

Um halb zehn fuhren wir mit allen ins Kloster zur Christmesse unseres Padres Juan Carlos, die ersten zwei Kleinen schliefen schon im Auto auf meinem Schoß ein. Mit dem Rest gingen wir dann in die Kirche und bildeten mit einigen Schwestern, einem Gitarristen und einer Panflöte den Weihnachtschor. Während die Motivation der Kinder anfangs groß war und sie aus voller Kehle mitsangen, hatte ich schon bald drei schlafende Kinder auf mir liegen, die ich dann nach und nach ins Auto trug zur Belustigung der Gemeinde. Die Weihnachtsmesse war sehr schön und stimmungsvoll, zwar nicht ganz so wie in Sankt Sebastian zuhause, aber dafür fehlt einfach die deutsche Kirchenmusik. Die Lieder waren fröhlich, ich begleitete den Gesang mit einer Rassel und der Padre fand schöne, sehr emotionale Worte zur Predigt.

Nach dem Gottesdienst fuhren wir gemeinsam mit Ely, unserer lieben Freundin, in das Nachbardorf Tarmatambo, um die Nacht mit ihrer Familie zu verbringen. Pünktlich um Mitternacht erwartete uns dort ein Feuerwerk und Kapellenmusik und nach einigen weihnachtlichen Wünschen und Umarmungen aßen wir Truthahn mit Apfelmus, Kartoffeln, Reis und Ají (=Chili, Anna 😉). Danach gab es ein Quinoa-Bier und wir bereiteten Glühwein zu. So saßen wir bis drei Uhr nachts mit Ely, ihrer Mama und zwei ihrer Brüder zusammen, genossen die familiäre Atmosphäre und die netten Unterhaltungen. Ich fand es unglaublich schön, die Nacht mit so einer herzlichen Familie zu verbringen und kann diese grenzenlose, bedingungslose Gastfreundschaft an Weihnachten kaum fassen! An diesen Abend werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern und mir hoffentlich Ely immer als Vorbild nehmen.

Nach vier Stunden Schlaf bereiteten wir am nächsten Morgen zum Frühstück eine fast vegetarische Pizza mit Hackfleischsauce zu und beobachteten das bunte Treiben vor dem Haus. Traditionsgemäß zog eine Tanz- und Musikgruppe durch die Straße, die mit ihren schwarzen Masken und bunten Kleidern an die Sklaverei der Schwarzen in Lateinamerika erinnern sollte. Mittags fuhren wir dann satt und glücklich zurück nach Tarma, wo uns der Padre mit einer weiteren Essenseinladung in einem Kloster erwartete – lecker, aber viel zu viel des Guten! Zu meiner besonderen Weihnachtsfreude biss mich am frühen Nachmittag ein kleiner, aggressiver Hund auf der Straße, nach dem ersten großen Schock war aber alles gar nicht so schlimm. Später spielten wir mit den großen Jungs aus dem Heim und vielen Schwestern noch Fußball und den Abend verbrachte ich damit, mit dem Baby Yumico herumzukrabbeln.

Weihnachten am anderen Ende der Welt mit unseren Kindern zu verbringen, war für micheine unvergessliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Die ruhige, besinnliche Stimmung wie zuhause im Familienkreis kam nicht auf und einige Bräuche, meine Familie und die schöne Musik vermisste ich. Dafür lernte ich so viel Neues kennen, durfte vielen Kindern Freude bereiten und wieder einmal die ausgesprochene Gastfreundschaft der Peruaner erleben… und das nächste Weihnachtsfest rückt ja schon wieder näher! In diesem Sinne viele Grüße an alle und danke für all die lieben Weihnachtsnachrichten! 


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Kommentare: 1
  • #1

    Marc (Donnerstag, 27 Dezember 2018 14:57)

    ... und auch uns hast du riesig gefehlt, aber es liegen hoffentlich noch viele gemeinsame Weihnachtsfeste vor uns. Jetzt bist du um eine einzigartige Weihnachtserfahrung reicher, die wir dir hier niemals hätten bieten können! Du kommst mit Anregungen aus der Neuen Welt zurück und wirst im nächsten Jahr - sehr zur Freude von Markus und der ganzen Gemeinde - die Rassel schwingend durch die Christmette tanzen! Ich freue mich schon so darauf! Lass bis dahin weiterhin die Kinderaugen vor Freude glänzen und pass auf dich auf!