· 

Zwei Tage in der Selva

Tropische Weihnachtsgrüße aus dem peruanischen Regenwald!

Nachdem wir neulich bei einem Ausflug mit dem Padre in das nahe gelegene Regenwaldstädtchen La Merced schon Feuer für die Selva Central gefangen haben, wollten Anna, Johannes und ich unbedingt mehr sehen und tiefer hinein in das Abenteuer. Also saßen wir letzten Montag mit gepackten Rucksäcken um sechs Uhr morgens im Colectivo (öffentl. Verkehrsmittel) und sind etwa vier Stunden nach Oxapampa gefahren, landschaftlich in eine andere Welt. Oxapampa ist eine kleine Stadt im Bergregenwald und durch seinen austro-alemanischen Stil und die Gründung durch europäische Siedler gerade für uns Deutsche ganz besonders: Zwischen Regenwald und Palmen findet man deutsche Häuser und Straßennamen, Dirndlgeschäfte und saubere, ruhige Straßen - eine ganz verrückte Kombination! Schnell habe ich aber gemerkt, wie sehr ich das laute, bunte Treiben Tarmas und "normaler" peruanischer Städte vermisse. 

Nachmittags wanderten wir zum Wasserfall "Río Tigre": Nach einer halben Stunde durch grüne Täler mit Almwiesen, gefleckten Kühen, Weiden und alpinem Ambiente kamen wir auf einen engen Pfad in den Regenwald und sahen die starken Kontraste: Links und rechts des Weges wuchsen Bananen, dicht gedrängte Schlingpflanzen, auf dem Weg krabbelte ein riesiger Tausendfüßler und giftig aussehende Raupen, leuchtende Schmetterlinge umkreisten uns und das schwüle Selva-Klima holte uns ein. Am Wasserfall angekommen probierten wir gerade fremde Früchte und schon setzte ein apokalyptischer Regen ein, der auf das Blätterdach über uns prasselte und auch uns nicht verschonte. Um die Situation bestmöglich auszunutzen, holten wir Regenjacken raus, zogen die Schuhe aus und tanzten barfuß auf der Hängebrücke - glücklich wie kleine Kinder! So schnell, wie der Regen kommt, verschwindet er aber auch schon wieder, und so konnten wir unsere kleine Wanderung fortsetzen und weiterhin die Natur bestaunen. Den Abend haben wir auf dem Markt und bei einem Pisco Sour in einer Bar ausklingen lassen.

Nach einer herrlichen Dusche im Hotel (unsere war nun drei Wochen außer Gefecht) am nächsten Morgen frühstückten wir auf peruanische Art am Markt und genossen frischen Orangensaft und Bananenstrudel (ganz typisch für Oxapampa). Danach sind wir zum Parque Nacional Yanachaga-Chemillén aufgebrochen, eine große Fläche von geschütztem Nebelwald, wo mit viel Glück sogar Brillenbären zu finden sind. Nach den ersten Metern der Wanderung kam schon die erste Überraschung: Bei einer kurzen Verschnaufpause entdeckte ich in den Bäumen neben uns einen Affen, relativ klein, aber mit einem riesigen, bauschigen Schwanz. Wir blieben natürlich stehen und sahen immer mehr Affen, teilweise mit Baby auf dem Rücken, die sich zwischen den Bäumen umherschwangen, leichtfüßig die Bäume hinaufkletterten oder Lianen und Äste entspannt als Hängematten nutzten - einfach unglaublich! Kurz haben uns die Affen kritisch beobachtet und dann sind sie aber unbesorgt wieder ihrem Affenalltag nachgegangen. Zutiefst begeistert nach dieser tierischen Begegnung am Anfang  setzten wir unsere insgesamt 7-stündige Wanderung fort und genossen in vollen Zügen die Einsamkeit und Ruhe im Wald. Bis auf den Wärter begegneten wir niemandem und konnten uns so voll auf die Natur konzentrieren, die mich hier in Peru durch ihre Unberührtheit noch mehr ins Staunen versetzt. Ständig entdeckten wir fremdartige Raupen, Käfer und Schmetterlinge in den tollsten Farben, erschraken bei den schlangenartigen Wurzeln und bewunderten die Dichtheit und die Vielseitigkeit der Pflanzen - Geounterricht zum Anfassen! Und ja: All das was wir in der Schule lernen, existiert nicht nur in Büchern, es ist ein unbeschreibliches Gefühl, selbst stundenlang durchzuwandern. Ab und zu lichtete sich der Wald und wir konnten auf die sonnigen Täler mit ziehenden Nebelschwaden sehen, mysthisch und wie im Film! Nach drei Stunden erreichten wir unseren Aussichtspunkt, wo wir staunend auf das neblige Tal blickten und hungrig unsere Brotzeit verschlangen. Der Rückweg war noch unbeschwerter und da wir wieder Luft zum Schnaufen hatten, konnten wir uns über all das Unglaubliche austauschen ("Schau mal da und dort, das ist doch der Hammer!" oder "Verrückt, alle sitzen in der Uni und wir sind im Regenwald am anderen Ende der Welt"). Wir haben zwar immer gut auf die Wege geachtet, aber ich war dann doch ganz froh, dass wir erst im Nachhinein von den sechs Meter langen Schlangen gehört haben! Mein persönlicher Schreckmoment war jedoch ein Kolibri, der so laut brummend neben mir mit den Flügeln schlug, dass ich überzeugt war, ein Bär schleicht sich an! Ohne tatsächlich gefährliche Tiermomente sind wir schließlich wieder wohlbehalten und voller Glücks-, Freiheits- und Lebensgefühle am Ausgang des Parks angekommen und waren einfach geflasht von diesem unbeschreiblichen Erlebnis! Unsere Affenfreunde haben sich am Schluss nochmal in ihrer Pracht gezeigt und so konnten wir gesättigt von der schönen Natur zurück nach Oxapampa wandern. Auf dem Rückweg sind wir an müden Arbeitern, Granadilla-Plantagen, ärmeren Hütten mit spielenden Kindern und gescheuchten Hühnern vorbeigekommen und haben uns wieder in der peruanischen Realität wiedergefunden. 

Nach einer leckeren "Papa Rellena" an einem Marktstand verabschiedeten wir uns abends von Oxapampa und stiegen in den Bus nach Tarma, zurück in die Bergwelt. Trotz der kurzen Zeit in der Selva haben wir so viel erlebt, unsere letzte gemeinsame Zeit zu dritt voll ausgekostet und wieder Erinnerungen für lange Zeit geschaffen! Danke Johannes und Anita <3 Jetzt können wir Anna getrost nach Deutschland fliegen lassen nach diesen sechs genialen Wochen, wir haben die Zeit perfekt genutzt und es ist eine Freundschaft fürs Leben entstanden! (Peruaner sind sehr gefühlsbetont, das färbt ab...)

An alle Leser eine wunderschöne, gemütliche, restliche Adventszeit! Genießt diese besonderen Wochen in Deutschland und wenn ihr bei den kalten Temperaturen Wärme braucht, ich empfehle peruanische Sonne und Caliente, warmen Schnaps!


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Marc (Donnerstag, 20 Dezember 2018 12:11)

    Oh Sonja, du machst es uns schwer, die Adventszeit zu genießen und nicht den Gedanken an wilde Affenhorden, unsichtbare riesige Schlangen, wärmende Sonnenstrahlen nach Regenwaldregen und überbordende peruanische Gastfreundschaft nachzuhängen!
    Wir freuen uns über Eure tollen Erlebnisse, die Ihr aber auch redlich durch Eurer großartiges Engagement in Lima und Tarma verdient habt. Wenn wir die glücklichen Kinder sehen, die Du in den Armen hältst oder die sich um Euch scharren, spüren wir, dass Du jetzt zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist!
    Trotzdem vermissen wir Dich riesig und freuen uns so auf unser Wiedersehen in Peru! Liebe adventliche Grüße an Johannes und all Deine Freunde! Pass auf Dich auf! ;-)