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UPDATE: Was in den letzten Wochen in Lima geschehen ist...

Hola!

Jetzt bin ich schon seit sieben Wochen hier und tatsächlich immer noch in Lima entgegen aller Pläne. Als es hieß, wir würden etwa bis Mitte Oktober hier in Lima bleiben, war die Enttäuschung schon groß, ich hatte mich schließlich riesig auf Tarma und die Arbeit im Waisenhaus gefreut und konnte es kaum abwarten, endlich loszulegen. Stattdessen sollte ich also entgegen meiner Erwartungen so lange in einer Millionenmetropole leben, die wirklich spannend ist und auch schöne Seiten hat, aber im alltäglichen Leben vor allem anstrengend ist: der Schmutz, der ständige Lärm, Verkehrschaos an allen Ecken und natürlich die ständige Vorsicht auf den Straßen, da La Victoria ja nicht gerade das sicherste Viertel ist… Als dann unser Abreisetermin näher rückte, haben wir erfahren, dass Padre Juan Carlos (dort wohnen wir dann in Tarma) im Krankenhaus war und noch einige Wochen zur Erholung braucht – kurzum: Wir konnten wieder nicht fahren und sollten weitere drei Wochen hier in Lima verbringen. Die Frustration war groß, aber gut – letztendlich haben wir uns damit abgefunden, ändern konnten wir es eh nicht und haben die Gelegenheit genutzt uns weiterhin auf Lima, die Stadt der Gegensätze einzulassen! Die letzten Wochen war hier echt einiges los und ich habe immer wieder Einblicke Bereiche des Lebens hier bekommen, die man als Tourist niemals sehen würde, und habe gelernt, vieles mit neuen Augen zu sehen!

 

Am 7. Oktober fanden überall in Peru die Distrikt- und Bürgermeisterwahlen statt. Da wir hier ab und zu Zeitung lesen und die Schwestern immer wieder über die Politik ausfragen, haben wir einiges mitbekommen. Die „Wahlpropaganda“ war schon seit Wochen überall auf den Straßen zu sehen, viele Versprechen auf großen Plakaten, gesperrte Straßen aufgrund von Wahlparties… Leider sind hier einige Politiker korrupt und viele Menschen haben wegen ihrer schlechten Erfahrungen den Glauben in die Politik verloren. Der Exbürgermeister von La Victoria beispielsweise sitzt wegen Veruntreuung im Gefängnis und hat das ganze Viertel heruntergewirtschaftet - die Armut und andere Folgen sehen wir jeden Tag hier auf den Straßen. Die Wahlen an sich werden sehr wichtig genommen, mehrere Tage darf kein Alkohol konsumiert werden (Ley Seca = trockenes Gesetz), die Wahlen sind für jeden volljährigen Peruaner verpflichtend und am Wahltag werden alle Versammlungen, sogar die Gottesdienste, verboten, um Demonstrationen zu verhindern.

 

Letzten Donnerstag durften wir ein weiteres Projekt der Schwestern kennenlernen: die Armenspeisungen im Randdistrikt Villa María. Mit der MetroLima haben wir trotz der großen Distanz nur eine halbe Stunde dorthin gebraucht und die Fahrt war schon ein Erlebnis. Für 1, 50 Soles (=30 Cent) hatten wir durch die höher gelegene Strecke wir eine tolle, bequeme Panoramafahrt und der Zug war den Münchner Sausebahnen bezüglich der Modernität deutlich überlegen. Angekommen in Villa María jedoch haben wir gleich das Wohlstandsgefälle gespürt: Viele unbefestigte Straßen führen die Hügel hinauf, an denen teils kleine Häuschen, teils Wellblechhütten gebaut wurden. Netterweise wurden wir von zwei älteren Damen abgeholt, die uns die vier verschiedenen Küchen zeigten und uns eine Menge erklärten. Die sogenannten Comedores sind Speisungen, in denen jeweils 80 bedürftige Menschen zu Mittag essen und für einen geringen Preis ein Menü bekommen. Viele von ihnen bekommen das Essen aber auch kostenlos, da sie keine Arbeit haben und so auch die geringen Kosten nicht aufbringen können. Wir haben von den Mitarbeiterinnen so viel Interessantes und Bewegendes erfahren, neben einigen Hintergründen über die Menschen auch zahlreiche Herausforderungen und Probleme dieser wichtigen sozialen Arbeit. Die Initiatoren haben nur wenige bescheidene Mittel zur Verfügung, oft fällt die Hilfe vom Staat durch die Korruption des Bürgermeisters weg und so gefährden auch kleine Schwankungen der Gemüsepreise, die wir nicht einmal bemerken würden, schon das Projekt. Trotzdem schaffen es die Arbeiterinnen, so viel Gutes auf die Beine zu stellen und stecken so viel Kraft und Liebe in die Comedores. Der Tag war sehr bewegend für mich: Erst habe ich die enorme Armut gesehen und dann die bereichernden Gespräche, die einen schockieren und auf die perspektivenlose Aussicht vieler Menschen hinweisen. Automatisch habe ich im Kopf gleich meinen Lebensstil auf den Kopf gestellt, meinen Konsum gründlich überdacht und mich über die selbstverständliche Annahme und Verschwendung vieler luxuriösen Dinge in Deutschland geärgert, während hier die Leute mit steigenden Zwiebelpreisen zu kämpfen haben, also mit elementaren Problemen. Dabei habe ich selbst auch noch einige Baustellen, wo ich ein bewussteres und bescheideneres Denken umsetzen möchte. Aber all diese Gedanken waren gar nicht so negativ, wie es vielleicht erscheinen mag - vielmehr hat mich, angespornt durch den Elan der Arbeiterinnen, eine große Motivation und Lust gepackt, selbst aktiver zu werden und mich weiter einzubringen. In Deutschland haben wir so viele Möglichkeiten, durch kleine, einfache Veränderungen etwas zu bewirken, beispielsweise im Umweltschutz (Verzicht auf Plastik, etc.), wir kennen die Probleme und haben die Mittel, etwas zu verändern.

 

In den Kinderkrippen läuft die Arbeit sehr gut, ich unterhalte mich viel mit meinen „Kolleginnen“ und kann schon vieles selbstständig erledigen, z.B. allein auf die 18 Kinder aufzupassen für eine Zeit. Ich hab die Kleinen schnell ins Herz geschlossen und finde es einfach spannend zu sehen, wie unterschiedlich ihre Persönlichkeiten mit zwei Jahren schon sind. Während die Arbeit am Anfang wirklich nervenaufreibend war, habe ich inzwischen meine Tricks, die Kinder jeweils zu beruhigen und zu unterhalten. Oft reicht es auch, ihnen verschiedene Tiere vorzustellen und zu jedem eine kleine Geschichte zu erzählen. Auch wenn es sicherlich nicht schlau ist auf Dauer, kann ich es einfach nicht lassen, mit den Kindern herumzuturnen und sie durch die Luft zu schleudern, ich sehe das jetzt einfach als Workout😊

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